Sonntag, 28. August 2016

Watzmannüberschreitung

Jeder hat in seinem Leben Momente erlebt, in denen bestimmte Ziele nicht aus dem Kopf gehen. Diese Gedanken geben keine Ruhe und haben eine Charaktereigenschaften einer Hummel am Po. So ging es mir in den vergangenen 3 Wochen nach unserer letzten Alpentour. Eigentlich stand der Großglockner auf dem Spiel. Doch aufgrund von physischen Voraussetzungen fiel die Entscheidung auf das Revival der Tour im Berchtesgadener Land.

Wir, das sind ich und meine Freunde / ehemalige Arbeitskollegen. Alle vier haben Humor und eine Gemeinsamkeit, die bei solchen Vorhaben eine Rolle spielt: die Lust am Bergwandern...

Anfang August haben wir den Start für die diesjährige Tour gelegt und uns auf den Weg nach Schönau am Königsee gemacht. Als Cheater mit der Jennerbahn bis zur Mittelstation hochgefahren und per Wanderschuhmanagement zum Carl von Stahl - Haus gelaufen. In den nächsten Tagen erlebten wir fantastische Aussichten (wie Wasseralm, das Steinernde Meer, Kärlingerhaus, Ingolstädter Hütte ...) und die gleichen Momente, die zum Revival dazu gehören, obwohl schon einmal vor 4 Jahren an dieser Stelle erlebt.

 Doch auch dieses Jahr hatten wir nicht immer Glück mit dem Wetter. Beim Abstieg vom Ingolstädter Haus wurden wir aufgrund des Regenwetters bis auf die Socken nass. In der Wimbachgrieshütte konnten wir jedoch dank des ausgeklügelten Systems unsere Sachen (bis auf die Schuhe, die Trocknung dauert Tage!) relativ schnell auf das tragbare Trockenniveau bringen. Auf der Hütte fragten wir uns, ob wir von der Wimbachgrieshütte nun doch bis zum Watzmannhaus gehen sollen. Wir entscheiden uns dagegen, auch weil die Wanderwege nach dem Dauerregen nicht unbedingt sicher begangen werden können. Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann steht man dazu. Wir tuen das auch.

Wir konnten schlussendlich gut damit leben. Doch der bittere Beigeschmack blieb. Es ist das zweite Mal gewesen, dass uns das Wetter (oder doch nur wir selbst) vom Watzmann ferngehalten hat. Mir lässt dieser Gedanke die nachfolgenden Tage keine Ruhe. Ich suche ab und an nach einem passenden Zeitfenster und beschäftige mich mit dem Schwierigkeitsgrad der Überschreitung. Zahlreiche Informationen vom DAV oder auch Videos, z.B. Youtube zeigen anschaulich, wieviel jeder Interessierte sich zumuten kann und muss - falls er / sie sich für die Überschreitung entscheidet.

 Mit ausreichendem Theorie-Wissen ausgerüstet, gehe ich in die Planung hinein... Fahrt, Dauer, Übernachtung ja / nein, was ist zu tun, wenn, dann ...

 Der Wetterbericht für Samstag, den 27.08. sieht herausragend aus. Es könnte der beste Tag des Jahres werden. In den darauffolgenden Tagen sind jedoch Gewitter zu erwarten. Das Fenster ist demnach klein, doch groß genug für das Vorhaben.

 Also ging es in dieser Woche los. Das Auto bei Enterprise angemietet. Die Klamotten / Ausrüstung / Proviant überprüft / bereitgestellt und eingepackt. Für den einen Tag wird nicht so viel Ausrüstung benötigt. Doch sicher ist sicher. Siehe Packliste.

Dann am Freitag direkt nach der Arbeit ging es kurz vor 18:00 Uhr auf die Piste. Ca. 550 km Fahrt nach Ramsau. Gegen 23:20 Uhr war ich endlich am Parkplatz an der Wimbachbrücke angekommen (Straßenname: Rotheben in Ramsau). Das Parkticket für einen Tag kostet für Nicht-Gäste 5 Euro. Der Automat wechselt nicht. Also Kleingeld bereithalten.

 Nach der langen Fahrt wollte ich mich im Auto ein wenig auf die bevorstehende Tour vorbereiten und mir ein kleines Nickerchen genehmigen. Nach meinen Überlegungen würde es ausreichen, wenn ich zwischen 02:00 und 03:00 Uhr starten würde, um den Sonnenaufgang am Watzmannhaus zu erleben. So war das dann auch.

Gegen 02:30 Uhr ging es los. Die Beleuchtung der Stirnlampe auf AN und die Nacht wurde auf die nächsten 20 Metern zum Tage. Eine Vierergruppe ging vom gleichen Parkplatz bereits um 02:15 Uhr los. Gegen 05:00 Uhr, also nach 2,5 h war ich am Watzmannhaus. Die Lichter der ersten Gruppe konnte ich sehen, doch nicht vor Watzmann-Hocheck einholen.

Der Sonnenaufgang war an dem Tag um 06:21 Uhr. Am Watzmannhaus wollte ich keine Stunde bis zum Sonnenaufgang verbringen. So entschloss ich mich weiter zum Watzmann-Hocheck vorzustoßen. Der Aufstieg war nicht ohne, da ich die Markierungen an einigen Stellen übersehen habe. Doch die Richtung war klar, nach oben. Nachdem ich mich auch mal auf die Nase beim Wegrutschen gelegt hatte, kamen schon die ersten Gedanken, ob mein Knie und die Gelenke es noch schaffen würden. Die Miesmacher habe ich beiseite geschoben und mich auf das Wesentliche konzentriert. Einige Hundertmeter über dem Watzmannhaus habe ich den schönsten Sonnenaufgang seit einiger Zeit erlebt. Es war ein fantastischer Moment, wenn alles um dich herum die ersten Sonnenstrahlen in sich aufnimmt. Diese Magie ist einfach überwältigend.

Nach der erfolgten Motivationsdusche durch die aufgehende Sonne, ging es dann zum Hocheck (06:49 Uhr) mit der anschließenden Pause von ca. 10-15 Minuten. Hier legte ich mir das Klettersteiggeschirr an und ging mit einem Ramsauer Jungen in Richtung Mittelspitze. Ich, an dieser Stelle muss sagen, dass mein Begleiter, der mir zufällig vor dem Sonnenaufgang begegnete, der festen Überzeugung war, dass ich das Kletterzeugs nicht brauchen werde. So war das dann auch. Doch lieber mitnehmen, als nicht haben und später brauchen zu müssen...

Um kurz nach Viertel acht waren wir auf der Mittelspitze mit 2713 Metern. Kein schlechter Anblick. Am Himmel keine Wolke, keine einzige. Nicht einmal ein Ansatz davon. Das beste Wetter seit Wochen - das bestätigt mir auch mein kundiger Begleiter, der ebenfalls zum ersten Mal die Watzmannüberschreitung macht. Er erzählt mir, dass er nur 3 km entfernt von Ramsau wohnt und ähnliche Touren gerne unternimmt. Manchen fahren dafür hunderte von Kilometern für diese Erfahrung.

Mit vielen Fotos bewaffnet, ging es via einer längeren Strecke zur Südspitze, die nur einen Meter kleiner ist als die Mittelspitze. So, gegen 09:30 Uhr waren wir bereits auf der anderen Seite. Ein tolles Gefühl. Auch wenn nicht von Alleinsein geprägt, überwältigt einen der Anblick der benachbarten Berge. Zum gleichen Zeitpunkt waren auf der Südspitze ca. 20 Personen, die vor uns angekommen waren und sich in diesen Minuten ein intensives Sonnenbad gönnten.

Erfahrungsgemäß erwartete mich mit dem Abstieg ins Tal die schwierigste Partie dieser Reise. Von 2700 Meter auf ca. 1300 Höhenmeter zu gehen, ist eine Wanderung, die ich nicht jeden Tag mache. Hier wurden vor allem Fußgelenke beansprucht. Gegen 12:27 waren wir dann im Tal und auf dem Weg zur Wimbachgrieshütte. Das erste Radler floss gegen 12:50 Uhr. Das Zweite folgte unmittelbar.

Es ist an dieser Stelle unbedingt zu beachten, dass es während dieser Überschreitung keine Möglichkeit gibt, eigene Wasserreserven aufzufüllen. Meine 3,5 Liter waren bereits vor dem Erreichen des Tal bereits leer.

Nun, mit dem Erreichen der Wimbachgrieshütte scheint diese kurze Reise, die sich für mich wie eine Woche angefühlt hat, langsam zu Ende zu gehen. Mit dem zweiten Radler und ca. 1 Liter Wasser waren die flüssigen Reserven wieder aufgefüllt und wir haben uns auf den Weg zur Wimbachbrücke gemacht. Nach etwas mehr als einer Stunde waren wir dann da. Die letzten 20 Minuten verbrachten wir mit einem Plausch mit der österreichischen Tochter und ihrem Vater. Um 15:16 Uhr sind wir direkt am Parkplatz an der Wimbachbrücke angekommen. Mein Mietauto hatte mich wieder.

Nach einer kurzen Erholungspause und dem Check von E-Mails und Anrufen widmete ich mich der Hygiene und starte zum Wirtshaus Waldquelle, um meinen Bauch mit einer Suppe und Leberkäs und Bratkartoffeln vollzuladen. Anschließend ging es dann Hunderte von Kilometern zurück in die Heimat.

Während ich heute, einen Tag später, diese Zeilen schreibe, spüre ich alle beanspruchten Muskeln ziemlich klar und deutlich. Mein Begleiter aus Ramsau sagte mir allerdings gestern, dass er am Ende der Wanderung keinen Zustand der Müdigkeit oder Anstrengung spüre. Es ist wie am Morgen... So, so, dachte ich mir. Als Flachlandtiroler kann ich es mir zwar schwer vorstellen, doch ich gönne es ihm in jedem Fall.

Zusammengefasst: ein tolles Erlebnis bei einem fantastischen Wetter und sensationellen Bedingungen. Es hat wirklich alles gestimmt.


Packliste:
Rucksack
Wanderschuhe
Wasserblase
Wasserflasche
Stirnlampe
Ersatzbatterien
T-Shirt
Handschuhe
Fließjacke
Regenjacke
Wanderhose
Klettersteigset
Helm
Sonnenbrille
Essen / PowerRiegel
Hüttenschlafsack
Biwacksack
Erste-Hilfe-Set
Multifunktionswerkzeug
Kamera / Handy
Wanderstöcke

 Tatsächlich gebraucht:
 Rucksack Wanderschuhe Wasserblase Wasserflasche Stirnlampe T-Shirt Wanderschuhe Handschuhe Wanderhose Helm Essen / PowerRiegel Kamera / Handy Wanderstöcke

Wegezeiten:
Wimbachbrücke - Watzmannhaus: 3 - 3.30 Std./1280 Hm
Watzmannhaus - Hocheck: 1.45 Std./736 Hm
Hocheck - Südspitze: 2 - 2.30 Std./ca. 300 Hm (auf- u. ab)
Südspitze - Wimbachbrücke: 4.30 - 5 Std./2078 Hm
 Quelle: http://www.bergsteigen.com/klettersteig/bayern/berchtesgadener-alpen/watzmann-ueberschreitung-klettersteig

Beschreibung: http://www.berchtesgadener-land.com/natur/wandern/wander-touren/klettersteige-bergsteige-alpinsteige/watzmann-ueberschreitung

 und im Detail beim DAV

Videos: siehe Youtube

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